Fieseler Fi 103

bekannt als V1

Einstieg

Diese Seite gibt einen Überblick über das Gerät und seine Startanlagen. Weitere Informationen finden Sie in den entsprechenden Unterseiten, insbesondere zu den einzelnen erkundeten Feuerstellungen in den verschiedenen Einsatzgebieten des Ersteinsatzes in Frankreich und Belgien, sowie des Zweiteinsatzes in den Niederlanden und Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

1. Bezeichnung
2. Beschreibung und technische Daten
3.1 Entwicklung und Erprobung
3.2 Produktion
3.2.1 U-Verlagerung «Erz»
3.2.2 U-Verlagerung «Rebstock»
3.2.3 Weitere nennenswerte U-Verlagerungen
3.2.4 Mittelwerk (und KZ-Mittelbau-Dora)
4. Einsatz
5. Die Feuerstellungen (FSt)
5.1. Bauweise der Feuerstellungen
5.1.1. Alte Bauart
5.1.2. Vereinfachte Bauart
5.1.3. Wasserwerke
6. Versorgungsstellen
7. Erinnerungen von Zeitzeugen
8. Weiterführende Informationen


Bezeichnung

Die offizielle Bezeichnung der V1 ist Fieseler Fi 103, Tarn- oder Suggestivnamen waren FZG 76 (Flakzielgerät 76), Kirschkern, HöllenhundKrähe oder Maikäfer. Von den Alliierten wurde sie Doodlebug, Buzz bomb oder Arse-alight genannt.


Beschreibung und technische Daten

Die Fi 103 war ein unbemanntes Fluggerät, ausgelegt als freitragender Mitteldecker und angetrieben von einem Verpuffungsstrahltriebwerk. Die Nutzlast betrug in den Standardversionen 830 kg und das Gerät wurde durch einen Autopilot der Richtung und Flughöhe regelte in den Zielraum gesteuert. Nach Erreichen der vorgegebenen Distanz wurde die fliegende Bombe gezielt in einen steilen Abstieg geleitet und der Sprengstoff durch ein 3-fach ausgelegtes Zündersystem zur Explosion gebracht.

Detaillierte Beschreibungen der V1 und deren technische Daten gibt es in Literatur und im Netz zuhauf – siehe Literatur und hier im Abschnitt Weiterführende Informationen, sowie auf der Unterseite Entwicklung, Erprobung und Ausbildung.
Empfehlung: die wohl umfassendste Beschreibung der Fi 103 und deren Einsatz findet sich in dem Buch von Yannick Delefosse V1 – Arme du désespoir. Mit vielen Fotos und sehr guten Zeichnungen. Die zweite Ausgabe ist leider vergriffen. Eine dritte, nochmals stark erweiterte Auflage ist in Arbeit.

      

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Entwicklung und Erprobung

Entwickelt wurde die V1 durch Robert Lusser in den Gerhard-Fieseler-Werken, das Verpuffungsstrahltriebwerk von Fritz Gosslau bei der Argus Motoren Gesellschaft und das Flugleitsystem durch die Askania Werke. Die V1 war ein Projekt der Luftwaffe. Getestet wurde die V1 primär in der Erprobungsstelle der Luftwaffe Peenemünde-West.

Die Situation der Versuchs-Startrampen auf dem Gelände der Strand-Wiese ist nicht eindeutig, auch Sekundärliteratur trägt nicht zur Klärung bei. Durch Sichtung von alliierten Luftaufnahmen und dem Vergleich mit den noch vorhandenen Anlageresten vor Ort liess sich jedoch eine Klärung der Situation erarbeiten – siehe nebenstehende Analyse von 2017.

Am südöstlichen Ufer des Grossen Plöner Sees bei Bosau testete die Firma Walter verschiedene Startrampentypen.

Ein weiteres Testgelände befand sich zwischen Zinnowitz und Zempin, das sich ebenfalls auf der Insel Usedom befindet. Da und bei Brüsterort (heute Majak, Oblast Kaliningrad) wurden auch die Einsatztruppen für Frankreich geschult.

Auf dem Testgelände des SS-Truppenübunsplatzes «Heidelager» bei Blizna im Südosten Polens wurden die scharfen Tests durchgeführt, das Zielgelände befand sich ca. 50 km östlich von Lublin.

Detaillierte Informationen siehe Unterseite Entwicklung, Erprobung und Ausbildung.


Produktion

Der Übergang von der Prototypenherstellung in die Serienproduktion erfolgte in mehreren Schritten, ohne klare Abgrenzungen – und die Entwicklung war auch bei Beginn der Serienfertigung bei weitem noch nicht abgeschlossen!
Schon bei der Produktionsplanung hatte sich herausgestellt, dass die Kapazität bei den Fieseler-Werken in Kassel-Bettenhausen nicht ausreichen würden. Deshalb entschied man sich für den Einbezug der Volkswagenwerke in Fallersleben bei Wolfsburg. Die Planung sah eine Steigerung der monatlichen Produktion von 100 im August 1943 auf bis zu 5000 im Juni 1944 vor. Diese Zahlen wurden jedoch nie erreicht, auch weil das dazu notwendige Personal nicht rekrutiert werden konnte.
Für die Produktion der Fi 103 und deren Startanlagen waren neben den federführenden Betrieben Gerhard-Fieseler-Werke GmbH, Argus Motoren Gesellschaft m. b. H., Askania Werke AG und Hellmuth Walter KG rund 50 Zulieferbetriebe involviert.

Eine erste Serie von 120 Zellen (geplant 200) – Vorserie- oder V-Zellen – hatten noch ein Gewicht von 1,4 Tonnen.  Das finale Gewicht von 2,1 Tonnen wurde erst bei der nun folgenden Modellserien- oder M-Zellen umgesetzt. Aber erst die Grossserien- oder G-Zellen entsprachen in etwa dem Stand, der später zum Einsatz kommen sollte. Im September 1943 standen in Peenemünde erst 38 M-Zellen und noch keine G-Zellen für Versuche zur Verfügung.

Im September 1943 wurde die Mittelwerk GmbH gegründet, die vorerst für die Produktion des Aggregat 4 vorgesehen war.

Ende Oktober 1943 war erst ein Bruchteil der vorgesehenen Fi 103-Tests durchgeführt worden und die Produktion hinkte zwei Monate hinter der Planung her. Am 22. Oktober wurde das Fieseler-Werk Kassel-Bettenhausen bombardiert, die Zellenproduktion in der Folge in das Werk Rothwesten verlegt.
Bis Anfang 1944 konnten jedoch nie die vorgesehenen Stückzahlen produziert werden und gravierende Mängel in diversen Bereichen der Konstruktion waren immer noch nicht beseitigt. Trotzdem wurde im März die Serieproduktion wieder aufgenommen und im April 1944 fanden in Blizna die Tests mit scharfen Sprengköpfen statt. Ebenfalls im April konnte die Produktion erstmals merklich erhöht werden, 1700 Zellen verliessen die Werke, 2500 im Mai.
In den frühen Stunden des 13. Juni 1944 erfolgen dann die ersten Einsätze der Fi 103 in Frankreich gegen London.

Die Volkswagenwerk GmbH (VWW) war zu Beginn neben Fieseler der grösste Produzent von Flugbomben Fi 103.
Das VWW Fallersleben war im Juni 1944 zum wiederholten Mal bombardiert worden und fiel für die Zellenproduktion definitiv aus. Diese Produktion wurde im März 1944 an die Elbe, nach Schönebeck zur Nationalen Radiator GmbH (NARAG) und in Kellergeschosse der Kaiserbrauerei Gebr. Allendorff verlegt. Und Fieseler produzierte mittlerweile auch im Werk «Cham» in Köslin.
Versucht wurde ebenfalls, das Peugeot-Werk in Montbéliard (F) in die Produktion einzubinden, was aber am Widerstand des Peugeot-Direktoriums scheiterte. Die bereits ausgelieferten Fertigungsunterlagen wurden wieder zurückgezogen, zwischenzeitlich waren allerdings Kopien an den britischen Geheimdienst weitergegeben worden.

Im Herbst 1944 wurde ein wesentlicher Teil der Fi 103-Fertigung ins Mittelwerk in den Kohnstein bei Nordhausen verlegt, wo letztendlich bis zur Besetzung durch die Alliierten im April 1945 das Gros der Fi 103 gefertigt wurde.

Über die Gesamtzahl der produzierten (und später eingesetzten) Fi 103 gibt es so viele unterschiedliche Angaben, dass dem hier keine weitere «Annahme» angefügt werden muss.

Geplant und zum Teil noch aktiv aufgebaut worden waren von Volkswagen zwei weitere Produktionsstätten (Untertageverlagerungen) für die Fi 103 im Rahmen des Bauvorhabens «Stephan» (benannt nach dem Verlagerungsexperten Rudolph Stephan), einerseits im Stollen der Mine du syndicat de Tiercelet – Deckname «Erz» – in Thil (F)[1] und andererseits im Trotzenbergtunnel (T 3) der 1918 nicht vollendeten strategischen Strecke Rech-Liblar bei Dernau – Deckname «Rebstock».

U-Verlagerung «Erz»

Für die Aktivitäten in Thil (und Eschershausen) gründete Volkswagen zur Tarnung am 5. Mai 1944 eigens die Firma Minette GmbH.
Die Wahl für den Standort Mine du syndicat de Tiercelet ergab sich aus dem vorhandenen Stollen für den Abbau von Erz und aus dem normalspurigen Gleisanschluss der SNCF, der im Bereich der heutigen Rue-du-Tilleul bis auf 300 m an den Stollen führte.
Ins Auge gefasst wurde auch noch, in der Bonsdalgrube in Houthem bei Valkenburg (NL) Komponenten für die Fi 103 zu lagern und im Aussenbereich fertig montierte V1.

Hinweis: Oft wird in Artikeln über die U-Verlagerung «Erz» der Name der ehemaligen Mine als Örtlichkeit verwendet, dies ist irreführend. Die Mine du syndicat de Tiercelet ist ein ehemaliges Erzstollensystem, dessen Mundloch mitten in Thil liegt und dessen Namensgebung von seinem Verlauf in südwestliche Richtung in das Gebiet der Gemeinde und gegen den Ort Tiercelet herrührt – und somit die Eigentümer­verhältnisse wiedergibt. Das kommt daher, dass von Beginn weg (1943) die involvierten NS-Stellen von Tiercelet sprachen und dies auch in den Originaldokumenten so vermerkt wurde – was es aber nicht richtiger macht!
Das zugehörige KZ-Aussenlager lag nördlich der Ortschaft Thil.

Um die Fertigungsanlagen aufbauen zu können, waren erst umfangreiche Ausbau- und Sicherungsarbeiten notwendig. Diese Arbeiten wurden weitgehend durch Einsatz von Zwangsarbeitern ausgeführt, welche in Lagern in Thil, Errouvile und Morfontaine untergebracht waren. Offiziell begannen diese Arbeiten unter der Bezeichnung Bauvorhaben 1001 und 1002 durch die OT am 3. März, seit Mitte Februar wurde im Stollen jedoch schon am Ausbau gearbeitet.
Während der Ausbauarbeiten der Deutschen brach der Hauptstollen unweit des Zugangs ein, dieser Bereich wurde mittels eines Umgehungsstollens umgangen. Im Bereich des Einbruchs liegen bis heute 27 sowjetische Zwangsarbeiterinnen begraben. Der vorbereitete Produktionsbereich weiter hinten liegt heute unter Wasser.
Am 8. Mai 1944 – also genau ein Jahr vor Kriegsende – gelang es einer Gruppe von 37 sowjetischen Zwangsarbeiterinnen zu fliehen. Sie schlossen sich der Résistance an und kämpften für den Rest des Krieges gegen die Besatzer. Die Gruppe Родина (Rodina → Heimat/Vaterland) war die einzige geschlossene Fraueneinheit innerhalb der Résistance. Am Stollenmund erinnern heute Gedenktafeln an diese tapferen Frauen.

An beiden Standorten – Thil und Dernau – kam es neben Vorarbeiten der Fertigungsanlagen nicht mehr zu Produktion oder Montage von Flugbomben. Der Stollen in Thil musste wegen der vorrückenden Alliierten Anfang September 1944 fluchtartig verlassen, die Maschinen unzerstört zurückgelassen werden. Die Zwangsarbeiter waren zuvor schon Richtung Osten abtransportiert worden.
Am 10. September erreichten die US-Amerikaner Thil.

Nebenstehender Report der U.S. Naval Technical Mission in Europe vom 1./8. März 1945 beschreibt die Situation in der Mine du syndicat de Tiercelet wie sie von den Alliierten aufgefunden worden ist.
Der Einbruch des Hauptstollens scheint nicht als solcher wahrgenommen worden zu sein:
- 2 - Roof: Solid rock – No evidences of weakness and spalling were found. 

Nach dem Krieg wurde in dem Stollen wieder Erz abgebaut, nach Stilllegung das Mundloch zugemauert. Mangels Fakten rankten sich um den Stollen in Thil bis in jüngere Zeit ungebremst Gerüchte. So soll es einen Aufzug gegeben haben, mittels dem die V1 an die Oberfläche gehoben um von dort gegen Paris gestartet zu werden.
2021 versuchte ein französisches Archäologenteam mehr Klarheit in die Situation des Stollens und des Lagers für die Zwangsarbeiter zu bringen.

Galerie

            

U-Verlagerung «Rebstock»

Hinweis: Hier wird nur der Teil der U-Verlagerung Rebstock behandelt, der sich mit der Fertigung des FZG 76 befasst, ohne den Teil, der die Fertigung von A4-Bodengeräten beschreibt, also primär Trotzenbergtunnel und Lager Rebstock (Stephan).
Die Bezeichnung «Lager Rebstock», die Produktionsstätten in den Tunneln oberhalb von Ahrweiler und Dernau einschliessend, ist irreführend, ebenso die Bezeichnung «KZ-Aussenlager Rebstock».
Für die zusammenhängende Benennung der Lager für die Zwangsarbeiter inklusive der Tunnel die zur Fertigung vorgesehen waren, wird deshalb hier der Begriff «Untertageverlagerung Rebstock» resp. «U-Verlagerung Rebstock» verwendet.[2]

Im Ahrtal herrschte – bezüglich der Fi 103-Fertigung – eine ähnliche Situation wie in Thil. Ein Teil der Zwangsarbeiter aus Thil kam nicht mehr ins Ahrtal, sondern war direkt nach Holzen (Eschershausen), Artern und Nordhausen weitergeleitet worden.

Die im Sommer 1944 zunehmenden Querelen um die Zuteilung von Produktionsfläche und Arbeitskräften führten im Ahrtal zu folgender Aufteilung zu Beginn August 1944:
Silberbergtunnel 4’800 m2: Schraubenferigung durch Funcke & Hueck oder Volkswagenwerk (VWW)
Kuxbergtunnel 11’000 m2: Gollnow & Sohn, A4 Ausrüstung
Trotzenbergtunnel 11’600 m2: VWW
Sonderbergtunnel 1’000 m2: VWW
Herrenbergtunnel 3’200 m2: VWW

Die insgesamt 14’800 m2 Nutzfläche für das VWW figurierten nun unter dem Decknamen «Spatz» für die Endmontage des FZG 76. Vorarbeiten im Trotzenbergtunnel zur Einrichtung von Produktion und Montage wurden durch vor Ort schon anwesende Zwangsarbeiter ausgeführt.
Am 1. September kamen noch 300 jüdische Häftlinge aus Thil an die Ahr. Zu diesem Zeitpunkt hatten die VWW in Anbetracht der zu erwartenden Entwicklung jedoch schon weitgehend ihre Aktivitäten eingestellt. Trotzdem wurden diese Häftlinge noch bis zum 21. September für Ausbauarbeiten im Trotzenbergtunnel eingesetzt.

Zwischen September und Mitte Dezember 1944 wurden die verbleibenden Zwangsarbeiter aller Betriebe an der Ahr Richtung Osten abtransportiert, gemeinsam mit den Produktionsanlagen. Mit der Aufgabe dieses Standorts ging die Fi 103-Fertigung von VWW komplett über an die Mittelwerk GmbH in Nordhausen.
Am 7. März 1945 trafen die US-Amerikaner im Ahrtal ein.

Galerie

      

Weitere nennenswerte U-Verlagerungen

Tunnel Polch-Mayen

Die Argus Motoren Gesellschaft fertigte Triebwerke im Tunnel der 2003 stillgelegten Eisenbahnstrecke zwischen Polch und Mayen Ost in der Eifel. Ob in einem oder beiden Tunneln produziert wurde, liess sich nicht eruieren.
Auch eine schon angelaufene Fertigung ist nicht bestätigt.

1992 wurde auf der ehemaligen Bahntrasse der Maifeld-Radweg eröffnet. Dazu waren die beiden Tunnel saniert und mit Beleuchtung versehen worden. Wahrscheinlich wurden dabei auch letzte vielleicht noch vorhandenen Merkmale der Kriegsproduktion beseitigt und die Notnischen zugemauert. Am Nordportal des tiefer liegenden Tunnels Hausen 2 ist eine Erweiterung des Querschnitts zu erkennen – Grund und Ursprung sind unbekannt.

Bauvorhaben «Barbe»

Die Brüder Mannesmann GmbH (Strassburg) wollte ihrerseits noch Triebwerke in einem Stollen der Hartsteinwerke Vulkan (Bauvorhaben «Barbe») bei Haslach im Schwarzwald bauen.

Vom September 1944 bis April 1945 wurde die Produktionsstätte von den Häftlingen der drei Haslacher Lager (Sportplatz, Kinzigdamm und Vulkan) unter Aufsicht der Organisation Todt eingerichtet.
Die Produktion/Montage konnte aber wegen des Kriegsendes nicht mehr aufgenommen werden.

Das Stollensystem ist nicht mehr zugänglich, Mauern der gesprengten, alten Aufbereitungsanlagen sind im Aussenbereich noch erkennbar. An die Aktivitäten im Zweiten Weltkrieg erinnert die Gedenkstätte am Ort des Geschehens unterhalb der neuzeitlichen Mülldeponie.

Gedenkstätte

      

Weitere Gedenkstätten in und bei Haslach

In und um Haslach erinnern heute einige Gedenkstätten an die unsägliche Zeit der Zwangsarbeit in dieser Region. Zwangsarbeiter kamen nicht nur in der Industrie des NS-Regimes zum Einsatz, sondern wurden z. B. auch in der Landwirtschaft beschäftigt.

      

Bauvorhaben «Bulldogge» und «Iltis»

Die Askania Werke AG produzierte Steuergeräte für die Fi 103 auf den Sohlen II, II a und III a der Schachtanlagen Bartensleben. Diese erhielten die Decknamen «Bulldogge» für den Schacht Marie in Beendorf und «Iltis» für den Schacht Bartensleben in Morsleben[3]. Beide Schächte gehörten zum Burbach-Konzern, ab 1928 Burbach Kaliwerke AG. Auch andere Rüstungsfirmen produzierten in den ehemaligen Kalisalz-Stollen.
Bei Beendorf wurde dazu ab März 1944 das KZ Beendorf errichtet, ein Aussenlager der KZs Neuengamme (die Männer kamen aus dem Lager Ravensbrück). Das Lager wurde von der SS mit A3 bezeichnet.

Heute hält eine ehrenamtliche Initiative der Gemeinde Beendorf in einem kleinen Ortsmuseum die Geschichte des Lagers und der Untertageproduktion lebendig. Das Museum befindet sich im Untergeschoss der ehemaligen Bernhard-Becker-Grundschule, dem vormaligen Verwaltungsgebäude der Gewerkschaft Burbach in Beendorf.
Gedenksteine im Ort und auf dem Friedhof erinnern an das Leid der Zwangsarbeiter.

      

Gedenkstätten in Beendorf

      

Mittelwerk (und KZ-Mittelbau-Dora)

Traurige Bekanntheit erlangte diese Produktionsstätte dadurch, dass man ihr nachsagt, durch ihre Errichtung und die Produktion der Fi 103 und des Aggregat 4 seien mehr Menschen ums Leben gekommen, als durch den Einsatz dieser beiden Waffen.

Die heutige Gesamt-Gedenkstätte ist aber auch der einzige Ort, wo Einblicke in die Produktion der Fi 103 durch Zwangsarbeiter noch möglich sind.

Galerie

Hinweis: Fotografieren mit Blitz ist im Inneren der Stollenanlage untersagt.

                  

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Einsatz

Ersteinsatz

Geplante Einsatzgebiete der V1 waren die küstennahen Regionen Nordfrankreichs in den Departementen Nord, Pas-de-Calais, Somme, Seine-Maritime und Manche (I. bis VIII. Abteilung). Vorgesehene Ziele waren in erster Linie die Stadt London, aber auch Hafen- und Industriestädte wie Southampton, Portsmouth, Bristol und Plymouth.
Nach der Landung der Alliierten fielen jedoch die Stellungen westlich und südlich der Seine für einen Einsatz weg, begannen doch die V1-Einsätze in den ersten Stunden des 13. Juni 1944, also eine Woche nach Beginn der Invasion.
In Belgien wurden ebenfalls noch Stellungen geplant und gebaut, die jedoch nicht mehr zum Einsatz kamen (IX. Abteilung).

Einsatz in Frankreich
Einsatz in Belgien

Einsatz ab Trägerflugzeugen

Schon ab dem 8. August 1944 fanden auch V1-Starts ab Trägerflugzeugen statt. Benutzt wurden dazu vorwiegend die Heinkel He 111 H-16, H-20 und H-22, speziell für diesen Einsatz umgerüstete Varianten des deutschen Standardbombers. Das dazu gewählte Anflugverfahren war in Karlshagen erprobt worden, wo auch die Besatzungen geschult wurden.
Die Einsätze erfolgten ab Flugplätzen in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland.
Nachdem sich die Deutschen aus Nordostfrankreich und Belgien zurückziehen mussten, waren Starts ab Trägerflugzeugen die einzige Möglichkeit, London noch mit der V1 zu erreichen. Allerdings war die Treffergenauigkeit mit diesen Luftstarts nochmals schlechter als die der Flugbomben die ab Katapulten gestartet wurden.

Flugplätze, ab denen Einsätze mit FZG 76 geflogen werden sollten, resp. geflogen wurden:

  • Frankreich: Mons en Chaussée, Rosières, Amy, Beauvais-Tillé, Saint-André, Dreux, Chartres, Rennes
  • Niederlande: Deelen, Venlo, Volkel, Eindhoven, Gilze Rijen
  • Deutschland: Achmer/Bramsche, Vechta, Varrelbusch, Ahlhorn, Bad Zwischenahn, Wittmund, Jever, Schleswig, Husum, Eggebek, Leck

die dann aber nur teilweise zum Einsatz kamen.

Ausgeführt wurden diese Flüge in Frankreich und den Niederlanden durch die III./KG 3. Nachdem die Flugplätze in Frankreich und den Niederlanden aufgegeben werden mussten, agierte die III./KG 3 ab Standorten im Nordwesten Deutschlands. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie in das KG 53 «Legion Condor» integriert und figurierte da als I. Gruppe. Ende August schulte auch die II. und die III. Gruppe auf den Einsatz mit dem FZG 76 um. Mitte Januar 1945 erfolgte der letzte Einsatz gegen Ziele in England.


Zweiteinsatz

Ab September 1944 wurden mit fortschreitendem Rückzug auch Antwerpen und weitere Städte in Belgien und Nordwestfrankreich Ziel der V1. Diese wurden aus Stellungen in den Niederlanden, in der Eifel, sowie rechts des Rheins gestartet.
Von den Niederlanden aus gelangte mit einer reichweitengesteigerten Version der V1 London ab Februar 1945 noch einmal ins Visier der Flugbombe (Unternehmen Pappdeckel).

Einsatz in den Niederlanden

Abschnitt ist in Vorbereitung 

Einsatz in Deutschland

Abschnitt ist in Vorbereitung 

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Die Feuerstellungen (FSt)

Erstaunlich ist, mit welcher Verbreitung die V1 eingesetzt werden sollte. Dazu wurden zwischen Belgien und den französischen Departementen Nord und Manche mehrere hundert Anlagen errichtet. Später dann auch noch im Rahmen des Zweiteinsatzes in den Niederlanden und in Deutschland.

Und erstaunlich ist auch, wieviel von diesem riesigen Bauaufwand, der nur zu einem sehr kleinen Teil zum Einsatz kam, noch bis heute zu finden ist. Neben dem Verständnis der V1-Technik und deren Entwicklung wurden für mich diese Lost places zu interessanten Zielen.

Bauweise der Feuerstellungen

Im Verlauf des Baus der ersten Feuerstellungen wurden diese schon durch französische Widerstandskämpfer und die alliierte Luftaufklärung enttarnt und relativ rasch auch bekämpft. Dies führte zur Planung und Umsetzung von leichter gebauten Feuerstellungen, die aus weniger massiven Bauwerken bestanden, sich besser in bestehende geografische Gegebenheiten integrieren liessen und somit auch besser zu tarnen waren.

Man unterscheidet deshalb Feuerstellungen alter Bauart und vereinfachter Bauart. Letztere wurden im Verlauf der Bautätigkeiten und der gemachten Erfahrungen ständig weiter vereinfacht und erreichten ihren einfachsten Stand im Zweiteinsatz aus den Niederlanden und von deutschem Gebiet aus.

  • S1 = Stellungen alter Bauart (SaB), Ski-Stellungen → I., II., III., IVa. (Cotentin), IVb. Abteilung
  • S2 = Stellungen vereinfachter Bauart, Bel Hamlin Stellungen → I., II., III., IVa. (Cotentin), IVb. Abteilung
  • S3 = Stellungen weiter vereinfachter Bauart, Hottot Stellungen → V., VI., VII., VIII. und IX. Abteilung, sowie Niederlande und Deutschland
Alte Bauart

Die frühen V1-Feuerstellungen wurden in Massivbauweise erstellt, d. h. sämtliche Bauwerke einer Stellung wurden in massiver, gemauerter Ausführung errichtet, wo notwendig, mit entsprechender Armierung. Zum Teil sind die Bauwerke in Beton ausgeführt, zum Teil aus vorgefertigten Betonblocksteinen gebaut. Die Decken sind meist in Beton gegossen. Ausnahme dabei war das amagnetische Richthaus, welches von seiner Funktion her keinerlei Eisen beinhalten durfte. Man findet Richthäuser aus Beton, Betonblocksteinen oder Backstein. Keine der noch stehenden Ruinen hat ein Dach, die Richthäuser dürften nur mit einer Holzkonstruktion und Dachpappe abgedeckt gewesen sein.
Von den Alliierten wurden diese Stellungen wegen der auffälligen Form der Vorratslager, die einem Ski ähnlich sahen, als «ski sites» bezeichnet.

Die wichtigen Bauwerke und ihre Funktion:

  1. Umsetzanlage
    Die Umsetzanlage war ein grösserer betonierter Platz auf dem die Geräte mit LKWs angeliefert und mittels eines Portalkrans auf Transportwagen TW 76 umgeladen wurden.
  2. Eingangslager
    Ein langgestreckter Massivbau aus Block- oder Ziegelsteinen mit betoniertem Dach zur geschützten Aufnahme von angeliefertem Material. Länge zwischen 15 und 30 Meter, ein Ende geschlossen, das offene Ende mit Toren. Im Cotentin oft mit Schutzmauern im Eingangsbereich.
  3. Montagehaus
    Der Massivbau von 21,4 x 8,3 Metern aus Blocksteinen diente der Vormontage der Geräte. Gedeckt war das Montagehaus mit einem Satteldach. Auf einigen der Bauten wurden Schein-Dachgeschosse aufgesetzt, so dass sie einem Wohnhaus ähnlich sahen.
    Für den Transport waren die Tragflächen und das Hecksegment mit durchgehendem Höhenleitwerk am hinteren Ende des Rumpfs mit speziellen Vorrichtungen montiert. Das Hecksegment mit Höhenleitwerk wurde im Montagehaus montiert, alle mechanischen, elektrischen und pneumatischen Verbindungen zu den Ruderservos und dem Abstieggerät angeschlossen und die Tragflächen wie das Gerät selbst auf einen Transportwagen TW 76 gesetzt – die Tragflächen immer noch längs am Rumpf anliegend, ebenso der Holm. Ebenfalls wurden da die zwei Druckluftbehälter befüllt.
    Das Montagehaus war längs in zwei Bereich geteilt. Der breitere, durchlaufende Bereich war der eigentliche Montagebereich mit breiten Toren an beiden Enden. Somit konnte das Gerät im Durchlauf bearbeitet werden. Die Umsetzung der Geräte erfolgte mittels eines Flaschenzugs, der an der Decke befestigt war. Der links liegende schmalere Bereich war in sechs Räume aufgeteilt und enthielt Werkstätten und technische Büros.
    Alle demontierten Transportsicherungen und -hilfen wurden an die  Versorgungsstelle retourniert zur weiteren Verwendung.
  4. Dampferzeugerbau und Maschinenhaus (D-Bau)
    In gleicher Bauweise wie das Montagehaus errichtet, war dieser Bau dreigeteilt. Ein Raum diente der Unterbringung der Dampferzeuger, die da mit T- und Z-Stoff befüllt wurden und nach dem Einsatz mit Wasser von Rückständen der chemischen Stoffe befreit werden mussten. Dazu gab es zwei nebeneinanderliegende Standplätze mit Leitschienen wie an der Startrampe und Abläufen im Boden für das kontaminierte Wasser.
    Der zweite Raum war für den Kompressor der die Druckluft erzeugte, der dritte enthielt einen Stromgenerator.
  5. Stofflager
    Das Stofflager enthielt die beiden chemischen Reaktivstoffe für den Dampferzeuger in zwei getrennten Räumen mit separaten Zugängen. Da diese Stoffe kühl gelagert werden mussten, war dieser betonierte Bau öfters etwa zur Hälfte im Boden eingelassen. Im kleineren Raum war der Z-Stoff (Kaliumpermanganat, KMnO4), im grösseren der T-Stoff (Wasserstoffperoxid, H2O2) gelagert.
  6. Löschwasserbehälter
    In Nähe des D-Baus liegend, enthielt das 10 x 10 m messende Becken 200 m3 unbehandeltes Wasser, das Lösch- und Reinigungszwecken diente, jedoch nicht der Reinigung der Dampferzeuger.
    Das Becken war 4 m tief und hatte um 35° geneigte Seitenwände.
  7. Betriebswasserzisterne
    Dieses Wasserreservoir in Betonbauweise enthielt drei Räume: der grösste, ein Reservoir von 65 m3, enthielt das zulaufende Wasser, der zweite ein Reservoir von 8 m3 mit dem demineralisierten Wasser und der dritte die notwendigen Pumpen.
    Dieses behandelte Wasser wurde für die Reinigung des Katapults, der Dampferzeuger und allenfalls des Stofflagers verwendet. Über unterirdische Leitungen wurde das Wasser zum D-Bau, der Startrampe und dem Stofflager geführt.
  8. Vorratslager
    Die drei 84 m langen Bauten hatten denselben Querschnitt wie das Eingangslager und auch dieselbe Bauweise. Der gerade Teil war 68 m lang und konnte 7 Geräte aufnehmen. Der Eingangsbereich war gekrümmt um Schutz vor Beschuss oder Bombensplittern zu bieten. So entstand aus der Luft der Eindruck von auf der Seite liegenden Skiern, was zur englischen Bezeichnung «ski sites» führte.
    Am hinteren Ende gab es nur eine seitliche Türe für die Mannschaften. Auf der ganzen Länge befanden sich kleine Lüftungsöffnungen.
    Im gekrümmten Eingangsbereich – manchmal auf die ganze Länge des Innenbereichs – gab es eine leicht erhöhte beidseitige Schwelle die gleichzeitig Gehsteig und Leithilfe für den Transportwagen TW 76 war, damit die Geräte nicht mit der Wand kollidieren konnten.
    Im Cotentin hatten diese Bauten oft wie das Eingangslager Schutzmauern im Eingangsbereich.
  9. Amagnetisches Richthaus
    Markantester Bau der Feuerstellungen war das Richthaus, welches der Einstellung des Kompasses der V1 diente und gleich wie die Startrampe ausgerichtet war. Der 13,6 x 13,1 m messende Bau musste mit einem Minimum an Eisen auskommen. Somit verbot sich armierter Beton und auch innerhalb eines Radius von 35 m um das Richthaus wurde kein Eisen verbaut. Um trotzdem die Funktion des Baus zu gewährleisten, musste die Bauweise dementsprechend ausgelegt werden. Dies führte zu relativ dicken Mauern und Tragelementen.
    Auf dem Transportwagen wurde das Gerät auf den Vorplatz des Richthauses gefahren und man montierte die Flügel. Dann schob man den TW 76 auf Führungsschienen unter den zweiten Bogen. Nun wurde der Anstellwinkel justiert, danach das Höhenleitwerk eingestellt. Anschliessend hob man das fertig montierte Gerät mit einem Flaschenzug ab dem TW 76. Im Boden eingelassen war in diesem Bereich eine Winkelskala von beidseitig 62° auf einem Radius von 4,65 m, nach der nun der Kompass und der Autopilot auf das Ziel, oder beim Winkelschuss mit der entsprechenden Winkelkorrektur eingestellt wurden.
    Nach Abschluss der Einstellarbeiten wurde das Gerät auf den Zubringerwagen abgesenkt, mit dem die V1 zur und auf die Startrampe gefahren wurde. Vor dem Transport zur Rampe wurden noch die zwei Zünder eingesetzt, oft aber erst direkt an der Startrampe.
  10. Zünderbunker
    In der Regel zwei kleine Bunker, in denen die beiden mechanischen Zünder gelagert wurden. Nahe dem Richthaus mit Abstand untereinander angelegt und in zwei Varianten gebaut. Im Cotentin wurde auch schon eine einfache Version wie später bei den vereinfachten Stellungen gebaut.
  11. Kommandostand
    Ein im Boden eingelassener betonierter Bunker von 6 x 3,5 m Grösse. Er stand immer im Abstand von 8 m schräg hinter dem Hauptfundament, mit wenigen Ausnahmen links der Startrampe. Die Sicht auf das zu startende Gerät erfolgte durch einen Schlitz der mit einer schweren Panzerglasscheibe geschützt war. Unterhalb dieses Sehschlitzes war eine Halterung für das Kommandogerät an der Wand, über welches der Startvorgang kontrolliert und ausgelöst wurde. Das Kommandogerät war über unterirdisch verlegte Kabel mit dem Anlassgerät verbunden und dieses wiederum mit dem Dampferzeuger.
  12. Startrampe
    Die Startrampe war wegen ihrer Abmessungen neben dem Richthaus die auffälligste Installation einer Feuerstellung. Verankert war die Startrampe auf dem Hautfundament, einem Betonklotz von 10 m Länge, 4 m Breite und 2,5 m Höhe. Die stählerne Rampe hatte eine Länge von 49 m, eine Neigung von 6° und stand zusätzlich zum Hauptfundament auf acht stählernen Pendelstützen die wiederum auf Einzelfundamenten befestigt waren. Die Wirklänge der Rohrschleuder betrug 45 m.
    Geschützt war der ganze Bereich durch seitliche Mauern unterschiedlicher Bauart. Es waren diese markanten Schutzmauern, die die Anlage aus der Luft leicht erkennbar und somit die ganze Stellung leicht verletzlich machten.
    Rechterhand des Hauptfundaments war ein Sockel und Verankerungspunkte für einen Schwenkkran. Dieser Kran war ursprünglich zum Umsetzen des Geräts vom Transportwagen auf die Rampe gedacht. Mit Einführung des Zubringerwagens geschah dies jedoch direkt mittels des längs verschiebbaren Oberwagens.

  13. Schutzräume
    Ein bis drei halb oder ganz im Boden eingelassene Mannschaftsunterkunfts- resp. -schutzräume.
  14. Heizung
    Das Richthaus war im Normalfall teilweise unterkellert, in diesem Kellergeschoss befand sich eine Heizung. An Stelle der Unterkellerung des Richthauses entstanden im Cotentin separate Heizhäuser, die dann aber mit dem Richthaus über Rohrleitungen verbunden werden mussten.
  15. Unterstand für Trafo
    Ebenfalls eine Eigenheit der Anlagen im Cotentin ist dieser Bau, in welchem mittels eines Transformators die vom zivilen Stromnetz stammende Hochspannung auf die übliche Verbraucherspannung gewandelt wurde.
  16. Pumpstation
    Bei einigen Stellungen war der Wasserbezug nicht aus einem Leitungsnetz möglich. Es musste eine Pumpstation eingerichtet werden, um das Wasser aus vorhandenen offenen Gewässern oder Quellen zu gewinnen.

Einen guten Eindruck einer Gesamtanlage der alten Bauart vermitteln die Feuerstellung 623, Bois des Huit Rues bei Hazebrouck und etwas weiter im Westen die FSt 685, Val Ygot bei Ardouval, sowie seit 2019 die FSt 671, Ferme Beaulieu bei Campneuseville.

Vereinfachte Bauart

Nachdem die alliierte Aufklärung die mehr oder weniger nach Standardvorgaben erbauten Ski-Stellungen erkannt hatte und aus der Luft angriff, gingen die Deutschen zu einer leichteren Bauweise der Stellungen über, welche eine Fertigstellung der Anlage (Aufbau der Startrampe) erst kurz vor Inbetriebnahme ermöglichten. Zum Beispiel wurde anstelle des Richthauses über der betonierten Richtplatte nur noch eine Holzbaracke oder ein Zelt errichtet, das sich schnell aufbauen und leichter tarnen liess und somit die Luftaufklärung erschwerte.
Diese Stellungen wurden von den Alliierten als «Belhamelin-Typ» bezeichnet, benannt nach der ersten aufgeklärten Stellung dieser Bauweise beim Weiler Le Bel Hamelin südwestlich von Cherbourg.

Angesichts der immer schnelleren und besseren alliierten Aufklärung baute man am Schluss einen Stellungstyp, der als feste Bauwerke einzig die Richtplattform, Rampenfundamente und Fundamente für die wichtigten Bauten, sowie betonierte Wege kannte. Diese Stellungen wurden als «Hottot-Typ» bezeichnet, benannt nach der Stellung bei Hottot-les-Bagues südöstlich von Caen. Von diesem Typ waren die Stellungen in Belgien, den Niederlanden und zuletzt in Deutschland, in den letzten Monaten der Planung und des Baus von V1-Feuerstellungen.

Die wichtigen Bauwerke und ihre Funktion:

  1. Umsetzanlage
    Die Umsetzanlage war ein betonierter Platz auf dem die Geräte mit LKWs angeliefert und mittels eines Portalkrans entladen wurden. War oft und vor allem bei der zweiten Generation im betonierten Zufahrtsweg integriert.
  2. Montageplattform/Montagebau
    An Stelle des massiven Montagehauses wurde nur die Plattform betoniert und darauf allenfalls ein Holzbau errichtet.
  3. Dampferzeugerbau, Kompressorbau, Generatorbau (D-Bau)
    Diese Bauten waren zu Beginn weiterhin in Massivbauweise gebaut, manchmal als alleinstehende Bauten und nicht immer alle drei. Im Zuge weiterer Vereinfachungen wurden sie auch weggelassen.
  4. Stofflager
    Zuerst entsprachen die Stofflager der bisherigen Bauweise, jedoch mit reduzierter Wandstärke. Später wurden für T- und Z-Stoff getrennte, kleine Bauten erstellt. Und zuletzt wurden die beiden Reaktionsstoffe in einfachen, mit Blachen abgedeckten Erdgruben gelagert
  5. Wasserbecken
    Der benötigte Wasservorrat wurde nur noch in einem bis drei kleinen Wasserbehältern mit je etwa 3 m3 Inhalt gelagert. Demineralisiertes Wasser wurde nicht mehr verwendet.
  6. Amagnetische Richtplattform, Richtbau/Richt- oder Einstellzelt
    Auch beim Richtbau wurde auf die Massivbauweise verzichtet. Basis war nur noch eine betonierte Plattform mit Aussparungen am Rand für Tragbalken der Baracke und solchen für die Führungsschienen, die Winkelskala plus eine selbsttragenden Holzkonstruktion zum Anheben des Geräts.
    Bei den weiter vereinfachten Stellungen bestand die Überdeckung oft nur noch aus einem Zelt.
  7. Zünderbunker
    Die zwei Zünderbunker waren erst in ähnlicher Bauweise wie bei der alten Bauart, später nur noch betonierte, gedeckte Nischen, oder auch nur mit Blachen abgedeckte Erdgruben.
  8. Kommandostand
    Der Kommandostand wurde nun in variierender Bauform den örtlichen Gegebenheiten angepasst und weiterhin vereinfacht. Beim Zweiteinsatz war der Kommandostand oft nur noch eine mit Balken- oder Flechtwerk ausgekleidete Erdgrube.
  9. Startrampe
    Der Startrampe fehlten nun die auffälligen Schutzmauern. Das Hauptfundament war massiv verkleinert und hatte nur noch ein Volumen von etwa 20 m3. Das erste Einzelfundament war öfters mit dem Hauptfundament verbunden. Vermehrt wurde die Startrampe auch in abfallendes Gelände gebaut, Unebenheiten durch angepasste Einzelfundamente ausgeglichen – die Pendelstützen waren nach wie vor standardisiert.
    Bei wenigen ersten Anlagen der vereinfachten Bauart gab es sogar noch den Kransockel, der dann aber nicht mehr gebraucht wurde.

Einen guten Eindruck einer Gesamtanlage vereinfachter Bauart vermittelt seit 2019 die Feuerstellung 161, Poteau Montauban bei Blangy-sur-Bresle, sowie weitere FSt in dieser Region.

Wasserwerke

Eine Spezialstellung nahmen die unter dem Tarnnamen «Wasserwerk» geplanten und zum Teil gebauten Anlagen ein, welche sämtliche wichtigen Abläufe zwischen Anlieferung und Starten in riesigen Bunkern vereinen sollten.

Stellungen dieser Bauart waren Siracourt, Lottinghen, Brécourt, Couville und Tamerville. Keine dieser Stellungen kam zum Einsatz, Tamerville nicht einmal über die Trassierung der Bahnzufahrt hinaus.

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Versorgungsstellen

Die Versorgung der Feuerstellungen erfolgte aus in rückwärtigen Gebieten angelegten Versorgungsstellen. Diese waren entweder unterirdisch angelegt oder ebenerdig in weiträumig verteilten halbmassiven Schutzbauten.

Ein gutes Beispiel einer nicht zu weit westlich liegenden Versorgungsstelle (1001) ist bei Renescure nahe Saint-Omer zu finden, wo auch heute noch viele der zum Teil umgenutzten Lagerbauten stehen.

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Erinnerungen von Zeitzeugen

Zwischen 2001 und 2009 hat Robert Dancy (GB), der als Junge die Kriegszeit in Hook Green, an der Grenze zwischen den Grafschaften Kent und East Sussex, 58 km südöstlich von Londons Zentrum verlebte, seine Erinnerungen aufgezeichnet.

Die deutschen Luftangriffe und dann auch die der V1 hat er hautnah erfahren, lag doch Hook Green im Anflugbereich der Stellungen der III. Abteilung des Flak-Regiments 155 (W). Freundlicherweise hat er mir seine Aufzeichnungen überlassen, um sie auf dieser Seite der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Dokument (©) kann hier als PDF heruntergeladen werden und ist speziell ab «Doodlebug Days» (Seite 12) von Interesse.

1 Moshe Shen schildert seine Zeit als Zwangsarbeiter für Volkswagen in Thil und Dernau. (englisch)

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Weiterführende Informationen

Geräte-Handbücher

Hier gibt es die originalen FZG 76 Geräte-Handbücher (die ich da fand) als PDF zum herunterladen:
Stand: März 1944, Ausgabe: April 1944

Teil 1 Zelle 5,5 MB
Teil 2, Heft 1 Steuerung 5,5 MB
Teil 2, Heft 2 Logeinrichtung 0,9 MB
Teil 3 Triebwerk 1,6 MB
Teil 4 Zünderanlage 2,5 MB
Teil 5 Funkanlage 2,4 MB
Teil 6 Bedienungsvorschrift 1,9 MB
Teil 7 Prüfvorschrift 3,9 MB
Anhang Ersatzteilliste 2,9 MB

 

Weblinks

Fussnoten

2 Bezeichnungen, Aussagen und Zahlen zur U-Verlagerung Rebstock sind in etlichen Publikationen (Print genauso wie Online) widersprüchlich und umstritten.
So musste zum Beispiel das Land Rheinland-Pfalz seine – von Wolfgang Gückelhorn verfasste – offizielle Publikation wegen erheblicher Mängel zurückziehen.
Im Juli 2021 erschien die wissenschaftliche Studie von Prof. Dr. Manfred Grieger, die die Situation um «Rebstock» etwas erhellt.

3 Nach einer bergbaupolizeilichen Verordnung war für Bergbaubetriebe ein zweiter Schacht als Fluchtweg vorgeschrieben. Dazu wurde der Schacht Bartensleben gebaut. Beide Schächte erschlossen somit das gleiche Stollensystem.


Literatur, Quellen

siehe Übersicht

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Trivia

2015 gestaltete die Künstlerin Esther van der Bie vor dem Kunsthaus PasquArt in Biel (Schweiz) einen Suonengarten.
Markantester Teil dieser Installation war die Nachbildung eines Suonenelements, so wie es ähnlich in früherer Zeit zur Wasserverteilung im Wallis zur Anwendung kam.
Den Suonen hat Jakob Christoph Heer 1898 seinen Roman An heiligen Wassern gewidmet.

Dieses «Suonen-Teilstück» hatte auf den ersten Blick eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Startrampe für die Fi 103.